In der Tiefe des Meeres by Annika Thor

In der Tiefe des Meeres by Annika Thor

Autor:Annika Thor
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Am Abend treffen sich Steffi und Vera wie gewöhnlich. Das wird für eine Weile ihr letzter Mittwochabend in der Konditorei sein. Aber sie werden sich wieder sehen. Veras Herrschaften haben das Sommerhaus des Ladenbesitzers auf der Insel gemietet. Vera und die Hausfrau werden den ganzen Sommer über dort sein.

„Sie ist ja so kränklich“, sagt Vera. Das Wort „kränklich“, zieht sie in die Länge, damit man merkt, wie verwöhnt und albern sie die Frau findet. „Aber die frische Meeresluft und die Bäder im Salzwasser werden ihr ja sooo gut tun. Der Herr ist bestimmt froh, dass er allein in der Stadt ist. Die liegt ihm dauernd mit ihrem Gejammer in den Ohren. Er fand übrigens, ich hätte bleiben und für ihn kochen sollen, aber davon wollte die Frau nichts wissen.“

Vera wirft die rote Haarmähne zurück und lacht.

„Ich freu mich, dass sie sich auf unserer Insel eingemietet haben“, sagt Steffi. „Dann können wir ja genauso oft wie in der Stadt zusammen sein. Rad fahren und baden, wenn du freihast. Uns auf den Klippen an unserer Stelle sonnen und vom Felsen springen.2

Aber Vera sieht unzufrieden aus.

„Ich wäre lieber woanders“, sagt sie, „möchte was Neues sehen. Zu Hause reden die Leute so viel.“

„Was meinst du damit?“

„Och“, sagt Vera, „ich würde am liebsten in der Stadt bleiben.“

„Und dem Herrn Essen kochen?“

„Nee du“, sagt Versa. „Nicht allein mit ihm in der Wohnung. Nie im Leben.“

„Möchtest du wegen Rikard in der Stadt bleiben?“

„Vielleicht“, sagt Vera. Sie verschließt sich wie eine Miesmuschel, wenn man sie gegen einen Stein schlägt. Es kränkt Steffi, dass Vera so wenig von sich und Rikard erzählt. Sie selber hat Vera zwar nicht erzählt, dass sie im ersten Jahr auf der Schule in Göteborg in Sven verliebt war, aber das war eine heimliche Liebe, von der nicht einmal Sven etwas wusste.

Mit Vera und Rikard ist es etwas anderes. Sie sind ein Paar. Steffi ist ein wenig verwundert darüber. Vera hat doch immer gesagt, dass sie reich heiraten will, und reich ist Rikard nicht. Aber sie ist vermutlich in ihn verleibt, auch wenn es nicht den Anschein hat.

Vera findet es eben langweilig auf der Insel, denkt Steffi. Dort gibt es keine Vergnügen, keine Tanzplätze, nicht mal Tanz auf dem Bootsanleger, wie man ihn offenbar auf anderen Inseln für die Sommergäste veranstaltet. Natürlich ist das langweilig, wenn man sich ans Ausgehen und Tanzen gewöhnt hat.

„Ich finde es jedenfalls schön“, sagt Steffi, „dass du auf die Insel kommst, meine ich.“

Da sieht Vera ihr gerade in die Augen. Ihr grüner Blick ist warm.

„Entschuldige“, sagt sie. „Ich bin so blöd. Natürlich will ich mit dir zusammen sein.“

Sie schaut eine Sekunde in ihre Kaffeetasse. Als sie den Blick hebt, hat er sich verändert. Als ob sie ein unsichtbares Visier heruntergelassen hätte, etwas, das sie vor der Umwelt schützt.

„Ich muss gehen“, sagt sie. „Wir sehen uns auf der Insel, nächste Woche.“



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